Grenzgänger zwischen den Welten

Berühmt-berüchtigt für seine finanziellen und persönlichen Eskapaden, ist er aber auch Motor einer rasanten diakonischen Entwicklung. Autoritärer Führungsstil und dreiste Dominanz sichern die notwendige Machtsphäre. Joachim Manz nutzt die menschlichen und politischen Abgründe: „Gott wird mir verzeihen, ich tue ja ein wohlgefälliges Werk!“

  • 1941 geboren in Kostebrau/Niederlausitz – 2016 gestorben in Bad Berka
  • Studium der Theologie an der Universität Greifswald
  • 1962 - 1967 Schmuggel westlicher Literatur für Kommilitonen in Greifswald
  • 1968 Schleuser von Büchern und Medikamenten für kirchliche Einrichtungen
  • 1969 Ausbau des Beschaffungssystems auf bis zu 80 Pakete monatlich
  • 1975 Verwarnung durch Bischof Albrecht Schönherr: Kontaktverbot mit der Stasi
  • Leiter der Landes-Posaunen-Mission Berlin-Brandenburg
  • Herausgeber der kirchlichen Zeitung „Die Frohe Botschaft“
  • 1981 Geschäftsführender Direktor der Hoffbauer-Stiftung
  • 1989 Entlassung aus dem Dienst der Hoffbauer-Stiftung
  • 1990 Vorstand der Rhön-Klinikum AG und Geschäftsführer der Zentralklinik Bad Berka
  • 2004 Leitung des Hauptstadtbüros der Rhön-Klinikum AG

Nach allen Seiten offen für Vorteile, Freiheiten und Finanzen. Das ist nur die eine Seite der schillernden Persönlichkeit von Joachim Manz. Gleichzeitig will er nämlich auch seine Projekte nach vorne bringen. Komme was wolle. In dieser Ambivalenz tritt er 1981 die neu geschaffene Position als geschäftsführender Direktor der Hoffbauer-Stiftung an.

Manch einer in der Kirchenleitung ahnt da schon, was für ein Kaliber er ist. Manz ist ein Macher. Mit chronischer Selbstüberschätzung. Mit seinen diversen Kontakten bringt er das etwas verschlafene Stiftungsgeschäft nach vorne. Genau das braucht Hermannswerder jetzt. Unter seiner Ägide entsteht Unmögliches. Zumindest für DDR-Verhältnisse, als kirchliche Einrichtung unter gezielter staatlicher Repression.

Mit der Tagesstätte für Menschen mit geistigen Behinderungen beginnt 1983 die therapeutische Betreuung durch gemeinsames Arbeiten und Leben auf der Insel. Tätigkeiten in Gärtnerei, Handwerk, Wäscherei und Parkpflege bieten neue Perspektiven für diese in der DDR weitgehend ausgegrenzten Menschen. Ein Jahr später eröffnet im ehemaligen Isolierhaus ein Wohnheim und gleich nebenan ein Dauerpflegewohnheim für geistig behinderte Erwachsene. 1986 folgt ein Rehabilitationszentrum für körperbehinderte Erwachsene und Angehörige.

Das „Häuschen mit Rampe“ ist das erste behindertengerechte Erholungsheim in der DDR. Im ehemaligen Gutshof entsteht mit Aus- und Neubau ein Wohnheim für Menschen mit schwerer Körperbehinderung für ein weitgehend eigenständiges Leben. Selbst der Bau des Versorgungszentrums mit Großküche, Mensa und Seminarräumen gelingt dem umtriebigen Stiftungsleiter, zumindest bis 1989 als Rohbau.

Ein enormes Programm, bedenkt man die schwierigen Rahmenbedingungen. Nicht so für Manz, der bereits 1981 Kontakt zur Staatssicherheit aufnimmt. Bereit zu jeglicher Informationsweitergabe über den hochsensiblen kirchlichen Schutzraum Hermannswerder, verlangt er als Gegenleistung einen Pass mit Dauervisum. Mit dem Vorsatz, sich heimlich Vorteile zu verschaffen und damit die anstehenden Vorhaben leichter umsetzen zu können, spitzelt er fortan als Informeller Mitarbeiter (IM) „Hans“. Viele Probleme lassen sich jetzt spielend lösen und die Frage wer wen benutzt, ist streckenweise nicht mehr zu beantworten.

Wirtschaftlich betrachtet ist Pastor Joachim Manz ein Glücksfall für die Hoffbauer-Stiftung. Seine extremen charakterlichen Eigenschaften prädestinieren diesen „Macher“ dazu, immer neue Wege der Finanzierung über westdeutsche Kanäle zu finden. Seine Kaltblütigkeit befähigt ihn, den Überwachungsstaat der DDR nach eigenen Spielregeln zu nutzen. Zu Gunsten seiner diakonischen Vision für Hermannswerder. Sicher auch zu Gunsten seines barocken Lebensstils.

Für die Mitarbeiter ist die Ära Manz ein Desaster: Bedingungslose Gefolgschaft ist Programm. Überwachung, Intrigen und Herabwürdigung gehören schnell zum „System Manz“. Mitstarkem Rückhalt im Stiftungskuratorium, das seinen ausgeprägten Gestaltungswillen und seine Durchsetzungskraft sehr zu schätzen weiß, sind personelle Schwierigkeiten und Kompetenzstreitigkeiten aber nachgeordnete Problemlagen. Auf die Dauer wird das allerdings zur Lawine. Der Widerstand wird immer größer und mutiger. Die Leidensfähigkeit der Belegschaft sowie die Ansammlung seiner kleineren und größeren Skandale überschreiten jegliches Maß:  1986 starten 37 Mitarbeiter eine Initiative gegen den Stiftungsleiter. 1988 wendet sich eine Mitarbeiterin sogar direkt an die Staatssicherheit und bezichtigt ihn des Alkoholmissbrauchs, eines unehelichen Verhältnisses mit einer Angestellten, des Psychokrieges gegen Kritiker, der Bestechung leitender Angestellter, Vorteilsnahme sowie der Verstöße gegen Zoll- und Devisenrecht. Doch der Geheimdienst weiß ohnehin bestens Bescheid: Im Rahmen des Operativen Vorgangs „Stift“ sorgen IM Feder und IM Herbert für die nötige Überwachung von IM Hans. Auswüchse eines paranoiden Systems der gegenseitigen Überwachung.

Nach seiner Entlarvung muss Joachim Manz am 15. Oktober 1989 schließlich sein Amt niederlegen. In seinem Abschiedsschreiben räumt er ein: „Ich weiß, dass es nicht immer leicht mit mir war. Wem ich Not bereitet habe, den bitte ich um Nachsicht, wenn es nötig ist, auch um Entschuldigung.“