Aufstieg und Fall zwischen den Kriegen

Ihm gelingt der Weg aus der Krise in die neue Zeit. Es wird eine prachtvolle Blütezeit: Florierende Schulen, vollbelegtes Krankenhaus und eine gut geölte Infrastruktur mit Wirtschaftshof und eigenen Betriebsanlagen, bestens bestellt von einer Vielzahl emsiger Diakonissen und eng verbunden mit Stiftungsleiter Heinrich Pauli.

  • 1874 geboren in Colmar/Elsass – 1953 gestorben in Berlin
  • Studium der Rechtswissenschaften
  • 1900 Regierungsassessor
  • 1909 - 1912 Kreisdirektor in Hagenau, Elsass-Lothringen
  • 1912 Geheimer Regierungsrat und ständiger Hilfsarbeiter im Preußischen Ministerium für Elsass-Lothringen
  • 1918 Bezirkspräsident Unterelsass und bei Kriegsende Ausweisung
  • 1919 - 1920 Stadtverordneter in Potsdam
  • 1920 Regierungspräsident von Schleswig
  • 1920 Beteiligung am Kapp-Putsch als DNVP Mitglied, Verhaftung, „im einstweiligen Ruhestand“
  • 1922 - 1938 Kuratoriumsvorsitzender der Hoffbauer-Stiftung
  • 1927 - 1936 Präsident des Deutschen Ruderverbands
  • 1936 - 1945 Leiter des Fachamts Rudern des Reichsbundes für Leibesübungen

Galoppierende Inflation und Währungsreform geben dem Amt wenig Anreiz. Der Vorsitz des Kuratoriums eher ein Schleudersitz­ – mitnichten. Regierungspräsident a. D. Heinrich Pauli steuert die Stiftung mit Entschlossenheit und Energie sicher durch das chaotische Jahr 1923. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit legt er Tempo vor: Interne Strukturierung der Arbeitsprozesse und externe Lobbyarbeit für staatliche Förderung. Und das während der Währungsreform. Von Vorteil dabei ist der schuldenfreie Grundbesitz. Finanzielles Rückgrat bildet die zeitweise Verpachtung des Inselkrankenhauses an die Stadt Potsdam und eine umfassende staatliche Subventionierung für den Neustart der Bildungseinrichtungen.

„Herr Präsident“, wie er respektvoll genannt wird, steht allerdings noch vor einem Problem ganz anderer Art: Das fünfköpfige Direktorium pflegt eine ausgesprochen konkurrierende Arbeitsatmosphäre. Ein Webfehler im Stiftungsstatut, das Arbeitsstrukturen, Hierarchien und Kompetenzen unscharf lässt.

Trotz des enormen Aufschwungs der Stiftung in den zwanziger Jahren bleibt das operative Tagesgeschäft durch zeit- und energieraubendes Kompetenzgerangel gestört. Immer wieder versucht der beliebte und kluge „Präsident“ Pauli, die widerstreitenden Interessen und Forderungen von Schuldirektor Pastor Kühne, Klinikchef Prof. Dr. Wolff, Betriebsdirektor Laiblin und Oberin Müller zu versöhnen. Alle fünf sind ihren Aufgaben mit Leidenschaft verpflichtet und starke Persönlichkeiten.

Pauli führt die Stiftung vor allem deshalb zu ihrem Erfolg, weil er es in väterlicher Attitüde versteht, emotionale Wogen zu glätten und vermeintliche Zurücksetzungen durch intensive Zuwendung auszugleichen.

Ob Eigenmächtigkeiten der energischen Oberin, furiose Briefwechsel, ungerechtfertigte Einsparungen oder impulsive Beleidigungen – vielfach handelt es sich um fast erheiternde Zankereien, wie eine Vielzahl der Akten dokumentiert.

Zum Stiftungsfest 1926 zieht Pauli ein positives Fazit: 260 Schülerinnen besuchen inzwischen die Schulen der Insel, die Klinik hat mit ihren 120 Betten eine gute Auslastung und verfügt über ein ausgezeichnetes Renommee in der Chirurgie. Mit knapp 100 Schwestern steht auch das Mutterhaus bestens da. Und das Rechnungsjahr 1929/30 bringt auch eine positive finanzielle Bilanz.

Höhepunkt seiner Amtszeit ist die Einweihung des Feierabendhauses 1933 - das letzte große Inselfest: Die Oberin dankt dem Kuratoriumsvorsitzenden Pauli, der in allen Nöten und Schwierigkeiten um den Bau des Hauses „ihr treu zur Seite stand“.

Mit der Machtergreifung Hitlers beginnt die Zerschlagung des so mühsam Erreichten: Nationalsozialistische Bildungsinhalte von Blut und Boden, Rassenlehre und Volkstum sollen die humanistische Bildungsinsel in die Knie zwingen. Überall drängen die Funktionäre der NSDAP auf Gefolgschaft: Das Schulamt, die Stadtverwaltung, das Bildungsministerium und die Kirche. Die Bewegung der nationalsozialistischen „Deutschen Christen“ entfacht den Kirchenkampf und ist die erste und aggressivste, die in Hermannswerder die Axt anlegt.

Umgeben von skrupellosen Akteuren der „Deutschen Christen“, wie dem Inselpfarrer Kurt Halbach und dem Kuratoriumsmitglied Johann Rump, Pfarrer der Potsdamer Friedenskirche, beginnt seit 1934 der systematische Angriff auf die Führungsriege der Hoffbauer-Stiftung.

In dem Bemühen, Denunziationen und Hetze entgegenzutreten, gerät auch Pauli zunehmend in persönliche Bedrängnis. Zunächst noch hoffend, seine NSDAP-Mitgliedschaft biete ihm Handlungsspielraum, versucht er seinen Wirtschaftsleiter Carl Laiblin zu verteidigen. Als Anhänger der „Bekennenden Kirche“ lässt dieser nämlich auch öffentlich keinen Zweifel an seinen negativen Ansichten über die verbrecherische Propaganda von Goebbels und seinen willfährigen Helfern. Durch einen Prozess wird Laiblins Entlassung erzwungen.

Da steht Schuldirektor Kühne, ebenfalls Anhänger der „Bekennenden Kirche“, auch schon im Fokus von Schulbehörde und Gestapo. 1937 degradiert und entlassen, ergeht es kurz darauf Oberin Maria Müller ebenso. Trotz eines erfolgreich verlaufenen Gerichtsverfahrens wird Pauli das Schicksal der Insel immer mehr aus der Hand genommen: „Die Anstalt in ihrer jetzigen Form, hat aus dem nationalsozialistischen Reich zu verschwinden“, wird ihm gesagt und durch die Satzungsänderung vom 18. Mai 1938 besiegelt. Der Kampf gegen die menschliche und institutionelle NS-Gleichschaltung und Entchristlichung der Insel ist nicht mehr zu gewinnen. Damit ist Paulis Rücktritt besiegelt. Im September 1938 folgt ihm ein strammer Nationalsozialist der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt des Gaues Kurmark.

Wofür sich Pauli bereits auf Hermannswerder stark einsetzte, sollte ihn auch zukünftig beschäftigen: Der Rudersport. Als Sportfunktionär wird seine politische Haltung dann eindeutig. So treibt er die Gleichschaltung und spätere „Arisierung" des Deutschen Ruderverbandes voran, obwohl ihn weder Vorschriften noch Notwendigkeiten zu derartigen rassenideologischen Maßnahmen zwingen.